Ständige Beziehungsprobleme können für viele Menschen belastend sein. Oft fragen wir uns, warum wir immer wieder in dieselben Muster geraten, die uns unglücklich machen. In ihrem Buch “Sein Leben neu erfinden” beleuchten Jeffrey E. Young und Janet S. Klosko tief verwurzelte „Lebensfallen“ – festgefahrene Verhaltensmuster und Glaubenssätze, die uns oft seit der Kindheit prägen und einen großen Einfluss auf unsere Beziehungen haben. Eine dieser Fallen ist die “emotionale Entbehrung”, die dazu führen kann, dass wir extrem hohe Erwartungen und starke Abhängigkeiten in Beziehungen entwickeln.
Die Lebensfalle emotionale Entbehrung: Der Mangel, der nach Aufmerksamkeit schreit
In der Lebensfalle der emotionalen Entbehrung fühlen wir einen inneren Mangel an Zuwendung und Geborgenheit. Menschen, die in dieser Falle stecken, sehnen sich danach, dass ihr Partner sie völlig versteht, unterstützt und Wärme schenkt – und zwar in einem Ausmaß, das oft schwer zu erfüllen ist. Diese Menschen neigen dazu, ihren Partner zu idealisieren, oft sogar regelrecht zu “verehren”. Doch anstelle echter Liebe handelt es sich hierbei meist um emotionale Abhängigkeit, die auf ein inneres Defizit hindeutet. Wir erwarten, dass der Partner uns das gibt, was wir selbst nicht in uns finden können – was häufig zu Konflikten und Enttäuschungen führt.
Warum sollte man “die 10” eher vermeiden?
Ein aufschlussreiches Beispiel im Buch zeigt, wie wichtig es ist, unsere Partnerwahl kritisch zu hinterfragen und nicht nur auf “starke Gefühle” zu hören. Young und Klosko schlagen vor, potenzielle Partner auf einer Skala von 1 bis 10 einzuordnen – je nachdem, wie intensiv sie in uns Emotionen „auslösen“. Menschen, die für uns eine „10“ sind, rufen meist besonders starke Gefühle hervor, die häufig mit unseren Lebensfallen verknüpft sind. Solche Menschen scheinen auf den ersten Blick besonders anziehend, verstärken jedoch oft unbewusst unsere ungelösten Themen, wie etwa die emotionale Entbehrung.
Deshalb empfehlen Young und Klosko, auch Menschen eine Chance zu geben, die auf dieser Skala eher eine “7” sind. Solche Partner mögen weniger emotional überwältigend erscheinen, doch genau das ermöglicht oft eine stabilere und gesündere Beziehung. Statt emotionaler Höhen und Tiefen bringt eine Beziehung mit einem „7er“ oft Vertrauen und gegenseitigen Respekt mit sich.
Starke Gefühle – sind sie wirklich Liebe?
Wenn wir jemanden als unerlässlich empfinden oder glauben, ohne diese Person nicht leben zu können, ist das oft ein Zeichen emotionaler Abhängigkeit, die eher auf inneren Konflikten als auf echter Liebe basiert. Das Gefühl, jemanden unbedingt zu “brauchen”, deutet oft darauf hin, dass wir versuchen, einen inneren Mangel zu füllen – einen Mangel, den wir besser selbst reflektieren und bearbeiten sollten.
Lösungen: Neue Wege für gesunde Beziehungen
1. Bewusste Partnerwahl: Es kann hilfreich sein, zu hinterfragen, was genau jemanden besonders anziehend macht, und auch Menschen mit einer „7“ auf der Skala eine Chance zu geben. Solche Beziehungen bringen oft Ruhe und Stabilität, was besonders dann vorteilhaft ist, wenn unbewusste Ängste oder Unsicherheiten ins Spiel kommen.
2. Innere Bedürfnisse erkennen: Eigene emotionale Bedürfnisse und Erwartungen in der Beziehung zu reflektieren, kann ein wichtiger Schritt sein. Selbstverständnis bildet die Grundlage, um alte Muster zu durchbrechen und die Balance zwischen Nähe und Distanz zu finden, die viele Menschen mit Bindungsangst oft beschäftigt.
3. Bindungsangst und Beziehungsfähigkeit: Bindungsangst führt oft dazu, dass Menschen ihre Beziehungen als belastend erleben oder immer wieder in problematische Partnerschaften geraten. Solche Ängste entstehen häufig durch frühe Erfahrungen, die Ängste vor Verletzungen, Ablehnung oder Abhängigkeit geweckt haben. Bindungsängstliche neigen daher dazu, auf “Schwächen” des Partners zu fokussieren (Schwächezoom), und denken unbewusst, dass diese Person nicht „gut genug“ für sie ist. Dieses Verhaltensmuster schützt sie vor einer echten Bindung, da sie so eine gesunde Beziehung auf Distanz halten.
Ebenso kann es vorkommen, dass sich Menschen mit Bindungsangst eher zu unerreichbaren Personen hingezogen fühlen, wie etwa zu verheirateten Partnern oder Menschen, die emotional nicht verfügbar sind. Auch hier liegt die Bindungsangst zugrunde: Die „unerreichbare“ Person löst intensive Gefühle aus, ohne dass echte Nähe oder Verbindlichkeit möglich wird – ein sicherer Abstand, der vor Verletzungen schützt und gleichzeitig die Illusion aufrechterhält, dass eine erfüllende Beziehung möglich wäre.
4. Eigenes Glück finden: Ein Leben, das nicht ausschließlich auf die Partnerschaft ausgerichtet ist, bietet eine wertvolle Basis, um Bindungsängste abzubauen. Freundschaften, Hobbys und persönliche Ziele fördern das Selbstvertrauen und stärken die Unabhängigkeit – wichtige Schritte, um in einer Beziehung Nähe zulassen zu können, ohne sich darin zu verlieren.
5. Professionelle Unterstützung: Gespräche mit einem Coach oder Therapeuten, wie von Stefanie Stahl empfohlen, können dabei helfen, alte Bindungsmuster zu verstehen und neue Wege für gesündere Beziehungen zu entwickeln.
In “Sein Leben neu erfinden” zeigen Jeffrey E. Young und Janet S. Klosko, wie wir alte Beziehungsmuster überwinden können, um erfüllendere, stabilere Partnerschaften zu führen. Indem wir lernen, nicht immer den intensiven „10ern“ nachzujagen, sondern auch Menschen eine Chance zu geben, die uns eine ausgeglichene Beziehung bieten, können wir in der Partnerschaft echtes Glück finden.